Das Volk widerstrebt, versteht die neue
Bürokratensprache nicht,
wird entmündigt, geknebelt und verelendet;
"(...) es hat immer genügt, dass ein Mensch seine Furcht über-
windet und revoltiert, damit die Maschinerie ins Knirschen gerät."
ALBERT CAMUS
Und außerdem:
Man kann nicht mit der Wahrheit leben - "wissend" - wer es
tut,
sondert sich von den anderen Menschen ab, er kann in nichts
mehr
an ihrer Illusion teilhaben. Er ist ein Monstrum - und eben das bin
ich.
Albert Camus
Mein Kommentar zu dem Zitat von Alber Camus:
Dem kann ich Zustimmen, erst kommt der
Rückzug,
daß sich loslösen von dieser Gesellschaft.
Die klare Absage, an diese konforme, gleichge-
schaltete, kapitalistische-blöde Herde.
Nach einiger Zeit kommt dann aber doch der
Wunsch nach subversiver Gemeinschaft.
Der Wunsch Gleichgesinnte subversive Freunde
und Freundinnen zu haben. Oft sogar der Wunsch
in einer subversiven Gemeinschaft, einer
autonomen Gruppe, oder in einer Öko-Commonie
zu Leben. G.F.
"Der Mensch in der Revolte"
Die vollständige Gewaltlosigkeit begründet auf negative Weise die Knechtschaft
und ihre Gewalttätigkeit; die systematische Gewalt zerstört positiv die lebendige
Gemeinschaft und das Sein, das wir von ihr empfangen.
Um fruchtbar zu sein, müssen die beiden Begriffe eine Grenze finden. Absolut gesetzt,
legitimiert die Geschichte die Gewalt, als ein relatives Wagnis ist sie ein Bruch der
gemeinsamen Verbindung.
Sie muss somit für den Rebellen den vorläufigen Charakter eines Einbruchs behalten
und, wenn sie sich nicht vermeiden lässt, immer verbunden sein mit einer persönlichen
Verantwortung, mit einem unmittelbaren Wagnis.
Die Gewalt als System reiht sich in die Ordnung ein; in gewissen Sinn ist sie Ausdruck
eines geistigen Komforts. Als Führerprinzip oder Vernunft der Geschichte, durch welches
Gesetz auch immer begründet, herrscht sie über eine Welt der Sachen, nicht der Menschen.
Wie der Rebell den Mord als die Grenze betrachtet, die er, wenn er danach die Hand aus-
streckt, durch seinen Tod bestätigen muss, kann die Gewalt nur eine äußerste Grenze sein,
die sich einer anderen Gewalt entgegenstellt, im Fall des Aufstands zum Beispiel.
Wenn das Übermaß der Ungerechtigkeit diesen nicht mehr vermeiden lässt, verweigert
der Rebell im Voraus die Gewalt im Dienst einer Doktrin oder einer Staatsräson.
Jede geschichtliche Krise z.B. endet mit öffentlichen Einrichtungen.
Wenn wir auch keinen Einfluss auf die Krise selbst haben, die reines Wagnis ist, haben
wir einen solchen auf die Einrichtungen, denn wir können sie ja bestimmen, diejenigen
aussuchen, für die wir Kämpfen und mithin unsern Kampf in ihre Richtung lenken.
Die echte Tat der Revolte wird nur für Einrichtungen zu den Waffen greifen, die die Gewalt
einschränken, und nicht für die, welche sie gesetzlich verankern.
Nur dann lohnt eine Revolution den Tod, wenn sie unverzüglich die Abschaffung der Todes-
strafe versichert, und die Leiden des Gefängnisses, wenn sie im Voraus die Anwendung
von Strafen ohne voraussehbares Ende verweigert. Wenn die Gewalt des Aufstand sich
auf dem Weg zu diesen Einrichtungen entfaltet, indem sie sie so häufig wie möglich
ankündigt, ist das für sie die einzige Art und Weise, wirklich nur vorübergehend zu sein.
Ist das Ziel absolut, d.h. geschichtlich gesprochen:
Glaubt man es gewiss, so kann man so weit gehen, alle anderen zu opfern.
Wenn es das nicht ist, kann man nur sich selbst opfern im Einsatz eines Kampfes für die
gemeinsame Würde.
Rechtfertigt das Ziel die Mittel? Das ist möglich. Doch wer wird das Ziel rechtfertigen?
Auf diese Frage, die das geschichtliche Denken offenlässt, antwortet die Revolte:
die Mittel.
Was bedeutet eine solche Haltung in der Politik?
In erster Linie: Ist sie wirksam? Ohne Zögern muss man antworten, dass sie es heute allein
ist. Es gibt zwei Arten von Wirksamkeit, die des Taifuns und die des Lebenssaftes.
Der geschichtliche Absolutismus ist nicht wirksam, sondern Wirkung auslösend; er hat die
Macht ergriffen und behalten.
Einmal im Besitz der Macht zerstört er die einzige schöpferische Wirklichkeit.
Die unnachgiebige und begrenzte Tat, die aus der Revolte hervorgeht, hält diese Wirklichkeit
aufrecht und versucht lediglich, sie mehr und mehr auszudehnen. Es ist nicht gesagt, dass
die Tat nicht siegen kann. Es steht fest, dass sie Gefahr läuft, nicht zu siegen und zu sterben.
Aber entweder nimmt die Revolution dieses Wagnis auf sich, oder sie kennt, nur das Unter-
nehmen neuer Herren zu sein, der gleichen Verachtung unterworfen.
Eine Revolution, die man von von der Ehre lostrennt, verrät ihren Ursprung, der aus dem Reich
der Ehre stammt. Ihre Entscheidung beschränkt sich auf jeden Fall auf die materielle Wirk-
samkeit und das Nichts oder das Wagnis und die Schöpfung.
Die alten Revolutionäre gingen auf das Dringendste aus, und ihr Optimismus war vollkommen.
Heute jedoch hat der revolutionäre Geist an Bewusstsein und Scharfblick zugenommen;
er hat hundertfünfzig Jahre Erfahrung hinter sich, über die er nachdenken kann.
Die Revolution hat ferner das Ansehen eines Festes eingebüßt. Sie ist für sich allein eine
ungeheure Berechnung, die sich auf die Welt erstreckt. Selbst wenn sie es nicht eingesteht,
weiß sie, dass sie weltumfassend oder gar nicht sein wird.
Ihre Chancen sind im Gleichgewicht mit den Risiken eines Weltkrieges, der ihr, selbst im Falle
eines Siegs, die Herrschaft nur über Ruinen einbringen wird.
Sie kann also ihrem Nihilismus treu bleiben und in den Leichenkammern die Ultima Ratio
der Geschichte verkörpern. Man müsste dann auf alles verzichten, außer auf die schweigende
Musik, die die irdische Hölle verkären wird. Aber der revolutionäre Geist kann in Europa
auch zum ersten und letzten Mal über seine Prinzipien nachdenken, sich fragen, welches
die Abweichung ist, die ihn in die Irre leitet zu Terror und Krieg, und zusammen mit den Gründen
seiner Revolte seine Treue wiederfinden.
ALBERT CAMUS . DER MENSCH IN DER REVOLTE - Seite 381-383.
„Erbin einer verdorbenen Geschichte in welcher sich gescheiterte Revolutionen,
verrückt machende Techniken, die toten Götter und müde gewordene Ideologien
vermischen; wenn mittelmäßige Mächtige das alles zerstören können,
aber noch nicht wissen wie man überzeugt; als die Intelligenz sich herabgewürdigte
bis sie sich in die Dienerin des Hasses und der Unterdrückung verwandelt hat,
musste sich diese Generation, in sich selbst und um sich selbst herum,
wiederherstellen, von ihren Leugnungen an, ein bisschen von dem was es wert macht
zu leben und zu sterben.“ A. Camus